Zehle, S.: Einfluss früher postnataler Stresserfahrung auf die Entwicklung des limbischen Systems bei Octodon degus: Verhaltenspharmakologische und neuroanatomische Untersuchungen zur Beteiligung des dopaminergen Systems
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Flora Admin & Mod
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Thema: Zehle, S.: Einfluss früher postnataler Stresserfahrung auf die Entwicklung des limbischen Systems bei Octodon degus: Verhaltenspharmakologische und neuroanatomische Untersuchungen zur Beteiligung des dopaminergen Systems 18.11.12 4:04
Zehle, Stefanie: Einfluss früher postnataler Stresserfahrung auf die Entwicklung des limbischen Systems bei Octodon degus: Verhaltenspharmakologische und neuroanatomische Untersuchungen zur Beteiligung des dopaminergen Systems. Dissertation, OvGU Magdeburg, Fakultät für Naturwissenschaften, 2007
In der vorliegenden Dissertation konnte gezeigt werden, dass bei Jungtieren der Nagetierart Octodon degus, die in den ersten drei Lebenswochen wiederholt (täglich 1h) von den Eltern getrennt wurden, Verhaltensänderungen, wie z.B. eine verminderte Aufmerksamkeit gegenüber einem emotional positiven Stimulus und motorische Hyperaktivität ausgelöst werden, die von diversen neuromorpho-logischen Modifikationen, wie z.B. der Veränderung der dendritischen Struktur von Pyramidenzellen der Schicht II/III des dorsalen anterior cingulären Cortex (ACd), einer limbischen Region, die eine Schlüsselrolle bei der Aufmerksamkeitssteuerung ausübt. Die stressinduzierten Verhaltensänderungen des Tiermodells Degu erinnern an die Schlüsselsymptome des Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndroms (ADHD). ADHD-Patienten werden häufig mit Methylphenidat (MP), einem Hemmer des Dopamintransporters behandelt, was häufig zu einer Minderung des hyperaktiven Verhaltens, einer Besserung der selektiven Aufmerksamkeit sowie einer Korrektur der krankheitsbedingt veränderten metabolischen Gehirnaktivität präfrontaler und nigrostriataler Gehirngebiete führt. Um die Wirkung dieses Pharmakons im Tiermodell Degu auf die stressbedingten Veränderungen des Verhaltens und der metabolischen Gehirnaktivität zu testen, wurden Open Field Tests und (14C)-2-Fluoro-Deoxyglukose-Autoradiographie-Experimente durchgeführt. Es zeigte sich dabei, dass eine akute Behandlung gestresster Tiere mit 1mg/kg MP das hyperaktive Verhalten signifikant reduziert sowie die Aufmerksamkeit gegenüber den emotionalen Stimuli erhöht. Dieselbe MP-Dosis steigerte die metabolische Aktivität des dorsalen anterior cingulären, des prälimbischen, infralimbischen und orbitofrontalen Cortex. Zusammengefasst heißt dies, dass, durch den frühkindlichen Trennungsstress hervorgerufene, regionsspezifische Änderungen der metabolischen Aktivität und des Verhaltens teilweise durch eine Behandlung mit MP normalisiert werden können. Mit Hilfe histologischer Färbungen (Golgi-Cox) wurde zudem untersucht, in welcher Weise eine chronische MP-Behandlung während der Präadoleszenz die dendritische und synaptische Entwicklung des ACd beeinflusst. Die Ergebnisse zeigten, dass die Behandlung frühkindlich gestresster Tiere mit 1mg/kg MP zu einer Normalisierung der, durch frühkindlichen Stress erhöhten, Spinefrequenz der Apikaldendriten von ACd-Pyramidenzellen führt. Diese Neurone zeigen zudem unabhängig von der Aufzuchtsform längere und komplexere Dendriten. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass Prozesse der neuromorphologischen Plastizität des ACd wie das Dendritenwachstum bis zur Phase der Pubertät vorhanden und durch eine Behandlung mit MP behandelbar sind. Es kann daher geschlussfolgert werden, dass die Entwicklung und Ausreifung neuronaler Systeme in Abhängigkeit von emotionalen Erfahrungen während der Kindheit modifiziert wird. Zusammenfassend kann damit gesagt werden, dass das in der vorliegenden Studie verwendete Tiermodell des frühkindlich gestressten Degus im Unterschied zu anderen Tiermodellen des Krankheitsbildes ADHD, die die genetischen Ursachen des Symptombildes abbilden, die Bedeutung der Umgebung des sich entwickelnden Tieres für die Entstehung von Verhaltensveränderungen und deren potentiellen neuroanatomischen und -funktionellen Ursachen verdeutlicht. Aufgrund der physiologischen und entwicklungsbiologischen Ähnlichkeit des Degus mit dem Krankheitsbild ADHD stellt der Degu ein geeignetes Tiermodell zur Untersuchung der Effekte frühkindlicher Umwelteinflüsse bei der Entwicklung von Sozial- und Verhaltensstörungen dar.
Zehle, S.: Einfluss früher postnataler Stresserfahrung auf die Entwicklung des limbischen Systems bei Octodon degus: Verhaltenspharmakologische und neuroanatomische Untersuchungen zur Beteiligung des dopaminergen Systems